Wir sagen es ganz selbstverständlich: „Das ist mein Zuhause!“ Und wenn wir neue Leute kennenlernen, fragen wir: „Und wo wohnst du?“ Aus ihrer Antwort leiten wir etwas ab. Ob wir in einem alten Bauernhaus in einem Tal oder in einer Wohnung mitten in der Stadt wohnen, reflektiert unsere Persönlichkeit. Vermeintlich. Manche meinen aber auch: „Zuhause ist, wo sich das WLAN automatisch verbindet.“ Oder ist „Zuhause“ der Ort, an dem wir einfach nur wohnen?
Dahoam wollte es genauer wissen und ging der Frage nach, warum wir uns an manchen Plätzen mehr zuhause fühlen als an anderen. Was ist es, das uns zuhause fühlen lässt? Eine Spurensuche.
Von der Couch im Wohnzimmer fällt der Blick auf eine weiße Wand mit kleinen schwarzen Bilderrahmen. 23 an der Zahl und mit viel Liebe zum Detail harmonisch angeordnet. Sie zeigen Bilder von Freunden, Familie, Reisen und der Abschlussfeier von der Uni. Und natürlich von Viktoria selbst. Erinnerungen spielen im Leben der Mittdreißigerin eine wichtige Rolle. Beinahe in jeder Ecke ihrer Wohnung in einer Tiroler Bezirkshauptstadt hält die studierte Betriebswirtschafterin inne und schwelgt in Erlebnissen. An der Wand in der Küche hängt eine Kuchenbackform. Schwarz und offensichtlich seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten in Gebrauch. „Die habe ich von meiner Oma geerbt. Damit hat sie immer ihren Zwetschgenkuchen gemacht, als ich noch ein Kind war.“ Viktoria wirkt fast schon melancholisch, als sie Duft und Geschmack von Omas Kuchen beschreibt. Und fügt hinzu: „Heute backe ich diesen Kuchen, wenn es mir mal nicht so gutgeht. Der Duft versetzt mich wieder in meine Kindheit und alles wird gut.“
Das Gefühl von zuhause hängt offensichtlich stark von unseren Erinnerungen ab. Von Momenten, die wir erlebt haben. Von ganz persönlichen Ritualen und Eigenheiten, die unsere Vergangenheit geprägt haben. Selbst Düfte geben uns das Gefühl von Sicherheit, Nähe und Wärme. Darum umgeben wir uns sehr gerne mit Dingen, die uns erinnern lassen. Wir bewahren Sachen auf – aus unserer Kindheit, Jugend und unserem Erwachsenenleben. Wir stellen oder hängen Bilder auf von vergangenen Urlauben. Niemand würde auf die Idee kommen, Bilder von Orten aufzuhängen, wo man noch Urlaub machen möchte. Sozusagen als Vorfreude. Auch wenn wir das gerne im Beruf machen – Ziele als Ansporn an die Wand zu hängen – zuhause erinnern wir uns lieber zurück. Aber nur, wenn die Erinnerungen schön sind. Verbinden wir mit etwas negative Erlebnisse, ist eine Trennung notwendig. So auch bei Viktoria. Bei ihr war es die Couch, welche weichen musste. „Ich habe meine alte Couch geliebt, aber nach der Trennung von meinem Freund musste ich mich auch von ihr trennen. Dort hatten wir uns das erste Mal geküsst. Das konnte ich nicht mehr ertragen“, erzählt sie uns.

Schwer vorzustellen, aber hier in diesem leeren Raum wird sich bald jemand zuhause fühlen, Kraft tanken und sagen, dass es hier am besten ist. Egal, ob im Osten oder Westen. Was muss also passieren, damit dieses Gefühl entsteht?
Eine Couch spielt auch im Leben von Felix eine zentrale Rolle. Mehrere Berufs- und Beziehungswechsel haben für ihn auch zu mehreren Wohnungswechseln geführt. Heute sagt er, dass dieses moderne Vagabundenleben zwar spannend, aber emotional nicht immer einfach war. „Ich war selten lange genug in einer Wohnung, um wirklich Beziehungen zum jeweiligen Umfeld aufzubauen. Zu Nachbarn, Kollegen oder auch nur zum Bäcker um die Ecke.“ War er dadurch wurzellos? Nein, sagt er. Sein ständiger Begleiter war die geliebte Couch, die insgesamt fünfmal mit ihm übersiedelt ist. Auf ihr habe er gelernt, gearbeitet, gekuschelt und ausgespannt. Sie war sein persönliches Stück Zuhause. Über Jahre hinweg war das Erste, das er getan hat, wenn er abends nach Hause gekommen ist, sich auf der Couch lang zu machen. Heute lebt er mit seiner Familie in einem schönen Reihenhaus im Tiroler Oberland. Und selbstverständlich wohnt auch seine Couch bei ihnen. Da sie aber auch schon etwas in die Jahre gekommen und in puncto Design vielleicht schon ein bisschen „old school“ ist, steht sie jetzt in seinem Arbeitszimmer. Aber sie ist da und wird das vermutlich auch bleiben. Warum eigentlich? „Irgendwie gehört diese eine Couch zu meinem Leben, ist fast schon Teil von mir.“ Seine Freunde sagen, dass die beiden früher auch optisch verwandt hätten sein können. So bunt und farbenfroh wie die Couch ist, sei auch seine Kleidung früher gewesen. „Ich war nicht immer der Businessman im schwarzen Anzug“, lacht er fast schon ein bisschen beschämt ob seines Outfits von früher.

Unsere Persönlichkeit prägt auch unseren Einrichtungsstil. Nicht umsonst lautet eine alte Volksweisheit „Zeig mir, wie du wohnst, und ich sag’ dir, wer du bist“. Unser ganz persönliches Empfinden für Ästhetik ist naturgemäß in vielen Bereichen unseres Alltags das Gleiche. Wer gerne bunte Farben sieht, wird diese auch anziehen. Und darin auch wohnen. Gleiches gilt für Materialien und Formen. Wir sind, wer wir sind, und das ist oft stark geprägt von unserer Kindheit. Daher ist es auch nicht besonders überraschend, dass gerade bei der Einrichtung sehr oft eine Verbindung zu unserem Elternhaus besteht. Sind wir in einem holzgetäfelten Wohnzimmer aufgewachsen, wird Holz auch bei der eigenen Einrichtung Jahrzehnte später eine Rolle spielen. Vielleicht weniger dominant und nur als Akzent. Aber vielleicht sogar die gleiche Holzart. Ganz einfach, weil es uns bewusst oder unbewusst an unsere Kindheit erinnert und uns ein Gefühl von Vertrautheit gibt.
Es scheint, dass zuhause eigentlich kein Ort ist. Sondern vielmehr ein Gefühl. Von Geborgenheit. Von Sicherheit. Davon, angekommen zu sein. Und auch wenn es für jeden von uns etwas anderes ist, das uns zuhause fühlen lässt – es geht immer um die emotionale Verbindung, die wir dazu haben. Unabhängig davon, ob es ein schönes Foto an der Wand, ein geliebtes Möbel oder ein besonderes Ritual ist. Es macht uns glücklich, verbreitet wohlige Wärme in uns und macht unsere persönliche Welt ein Stückchen besser. Und manchmal schmeckt es auch richtig gut. Wie der Kuchen von Viktorias Oma.
